Sonntag, 17. Januar 2010

Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

Es ist schon erstaunlich, wie oft und regelmäßig in dieser Welt die Wahrheit etwas verdreht wird. Eine Studie behauptet sogar, dass wir mit weit mehr als 200 Lügen ab Tag interagieren - entweder weil wir selbst lügen oder weil wir angelogen werden [Stiegnitz]. Und obwohl die meisten Lügen völlig harmlos sind, stellt sich mir sofort die Frage: Warum lügen wir überhaupt so viel?


Lügen ist extrem anstregend für den Körper. Die Schweißproduktion wird enorm erhöht. Die Gehirnaktivitäten steigen ins unendliche und unsere Gesichtsausdrücke entwickeln ihr Eigenleben. Deswegen ist es uns sehr unangenehm jemanden direkt ins Gesicht zu lügen, vor allem wenn wir es nicht regelmäßig betreiben. Genau deswegen lügen wir auch so viel häufiger am Telefon. Lustiger Weise haben Forscher rausgefunden, dass per E-Mail signifikant viel weniger gelogen wird, weil die Geschichte schwarz auf weiss dokumentiert wird und somit einfacher zu belegen ist. Beim Gespräch kann man sich im Notfall immernoch auf ein Missverständnis herausdrücken und große Künstler schieben es auf das Gedächnis des Anderen. Dabei steigt er Erfolg mit der Anzahl der Versuche. Denn beim Lügen gilt die non plus ultra Regel: Übung macht den Meister.


Wenn ihr mal das Gefühl habt, dass euch jemand anlügt, den ihr noch nicht so lange kennt, und diese Person nicht besonders selbstbewusst erscheint, dann sagt dieser Person direkt ins Gesicht:"Lügst du mich an?". Am besten noch mit einem ernsten Gesicht und ihr werdet erstaunt sein, wie oft auf diese Weise euer Gegenüber praktisch einbricht und die Lüge gesteht. Das funktioniert besonders gut, wenn der Fakt um den gelogen wurde besonders irrelevant ist.


Lügen ansich ist einfach und solange man auch nicht das Gefühl hat, dass diese Lüge zum Mittelpunkt des Geschehens wird ist alles ganz entspannt. Aber sobald sich jemand ertappt fühlt, fällt es umso schwerer weiterzumachen und man gibt schnell mal auf. Das hat auch einen tollen Effekt für die Zukunft, denn diese Person wird sich beim nächsten Mal besser überlegen ob sie euch anlügt, denn ihr habt sie ja schon einmal durchschaut. Mit großer Übung schafft man die perfekte Mischung zwischen einem ernsten Blick und einer leicht spaßig klingenden Aussprache, so dass sich die andere Person zwar schon ertappt fühlt, wenn sie gelogen hat, aber es hingegen entspannt bestätigen kann, wenn es stimmt, ohne Verdacht zu schöpfen.


Die große Quizfrage ist jedoch: Warum lügen wir überhaupt? Die Fähigkeit zu lügen hängt von der Gehirnentwicklung ab, weil die wichtige Vorraussetzung fürs Lügen ist, dass man sich in andere Personen hineinversetzen kann. Deswegen können auch erst Kinder ab 4 Jahre anfangen zu flunkern, denn erst wenn wir wissen, wie andere Leute unsere Aussage bewerten macht es für uns überhaupt erst Sinn zu lügen. Und damit wird auch ganz schnell klar, warum wir eigentlich lügen.


Wie gesagt ist der Großteil völlig harmlos und dient dabei unser Ansehen bei anderen Personen zu erhöhen. Ob es eine Fähigkeit ist, die man so besonders gut kann, eine Berühmtheit, die man gesehen hat oder eine sehr erotische Person, die man verführt hat, all diese kleinen Egopuscher gibt es in allen möglichen Formen und Farben und sie dienen allein dazu bei anderen Personen mehr Ansehen zu erzeugen und damit im sozialen Rang weiter aufzusteigen. Ich kenne einige Menschen, die das regelmäßig ausüben (das Ganze kann auch zu einem Zwang werden) und sogar einer meiner richtig guten Freunde ist sich nicht zu schade für sowas. Generell hab ich nichts dagegen, solange es unsere Verbindung nicht beeinflusst und ich mich in wichtigen Sachen auf ihn verlassen kann. Trotzdem ist es natürlich schade, weil das eine gewisse Oberflächigkeit erzeugt und ich wundere mich immer wieder, denn eigentlich hat er das gar nicht nötig. Genauso wenig wie wohl die meisten Menschen auf dieser Welt, aber da redet man wohl gegen eine Wand.


Viel Spannender sind die anderen beiden Fälle, weil sie die dramatischeren Lügen erzeugen: nämlich wenn wir uns beschützen wollen und wenn wir andere Personen beschützen. Wenn jemand zu spät zur Vorlesung kommt, dann ist immer die Bahn schuld, obwohl bestimmt einfach 80% verschlafen haben oder die Verabredung, zu der man eigentlich gar nicht gehen will und sie dann - aufgrund der unendlich großen imaginären Aktenstapel auf dem nicht vorhandenen Schreibtisch in dem schon gar nicht existierenden Job - leider absagen muss. Die Intention ist sonnenklar: wir schämen uns für den wahren Grund und schützen uns durch eine höhere Macht gegen die wir leider Gotten nichts machen können.


Dagegen stehen die "guten" Lügen, nämlich die, die Andere beschützen sollen. Ein Freund von mir hatte erst neulich ein Glanzexemplar davon. Er und seine Vortragspartnerin hatten eine Präsentation abgegeben und mussten diese danach auch vortragen. Dazwischen hat er bemerkt, dass ein sehr wichtiger Teil einer Rechnung ausversehen falsch war und stand nun in folgendem Dilemma: er kann es seiner Partnerin sagen, dass es da ein nicht unerheblichen Fehler in der Präsentation gibt oder er sagt es ihr nach dem Vortrag, wenn alles gut gelaufen ist. Dumm nur, dass seine Partnerin nicht grad die selbstbewussteste ist und mit dem Wissen des Fehlers wohl viel aufgeregter wäre. Auf der anderen Seite wäre sie bestimmt sehr sauer, wenn die Dozentin nach diesem Fehler fragen würde und sie dann erkennt, dass ihr Partner das die ganze Zeit schon wusste.


Hier greift meine persönliche Ansicht auf Lügen generell. Es gibt eine klare Regel für mich: wenn ich die Intention des Anderen verstehen kann, dann ist eine Lüge für mich nicht so wichtig. Es geht um den Willen. In dem Sinne hätte ich auch überhaupt kein Problem gehabt es der Dame von oben zu verheimlichen, weil ich weiß, dass sie dann entspannter vortragen kann und ich hätte mich wohl auch genauso entschieden. Wenn ich sehen kann, dass damit etwas Gutes bezweckt werden sollte, dann ist mir die Lüge ansich total egal. Das Gleiche greift auch bei Notlügen. Wenn ich weiß, dass ich jemanden sehr verletzen würde, wenn ich eine Verabredung absage, dann kann es durchaus sein, dass ich einen Vorwand benutze, damit eben jenes nicht eintritt.


Natürlich bin ich nicht zu jeder Person komplett ehrlich. Ich habe festgestellt, dass ich je öfter Lüge je weniger ich die Person mag, weil mir die Konsequenzen einfach egal sind. Gleichzeitig ist es mir natürlich auch genauso egal, wenn mich diese Personen anlügen. Dabei sehe ich eine Lüge mehr als Konfrontationsvermeidung. Es gibt nur wenige Personen zu denen ich 100% ehrlich bin aber mir ist wichtig, dass sie genau diese Menschen mit 100% auf mich verlassen können.


Generell gilt für mich folgendes (und das gilt nicht nur fürs Lügen sondern allgemein) : Wenn ich etwas getan habe, wofür mich nicht rechtfertig will, weil ich mich dafür schäme, dann werde ich nicht lügen. Jede Aktion, die ich vor anderen Menschen und durch mein Gewissen rechtfertigen kann, die also durch eine gute Intention hervorgerufen wurde ist für mich legitim und so bewerte ich auch andere Menschen. Ich muss deren Intention zwar nicht unterstützen, aber jedoch verstehen. Sobald man sich nicht rechtfertigen kann, dann sollte man ernsthaft darüber nachdenken, was für einen Mist man gerade angerichtet hat.



2 Kommentare:

  1. Ach, ich kann das so nachvollziehn, mit der Wand. Ich kannte auch mal jemanden, der leider viel zu oft luegen musste; das wurde so zur Gewohnheit, dass er irgendwann nicht mehr gemerkt hat, dass er log. Ich bin seither extrem vorsichtig, was Luegen betrifft. Aber manchmal ist es schwer, einen anderen Ausweg zu finden.
    Viel schwieriger als Luegen finde ich jedoch die Wahrheit. Ich bin wirklich ein Verfechter der Wahrheit und ziehe sie immer vor, allerdings macht man sich gerade damit nicht immer Freunde und kann leute auch extrem verletzen. Ich wuerde sogar behaupten, dass die Wahrheit manchmal schlimmer sein kann, als eine Luege. Von daher muss ich leider mittlerweile einsehen, dass man luegen nicht immer sofort als etwas Schlechtes verurteilen sollte.

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  2. Das Wichtige ist dabei eben seine Entscheidungen so zu treffen, dass man am Ende nicht lügen muss. Es gibt jedoch auch Fälle, wo man selbst nichts dafür kann (wobei diese doch eher rar sind) und dann ist auch die Frage ob die Wahrheit nicht eh irgendwann gesagt werden muss.

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